Der Wärmemarkt im Spannungsfeld der Energiewende
Erhebliche Herausforderungen in der deutschen Klimaschutzpolitik
Die Bundesregierung steht vor erheblichen energie- und klimapolitischen Herausforderungen. Prognosen des Klimaschutzberichts aus dem Sommer 2018 bestätigen, was die Bundesregierung schon im Koalitionsvertrag anerkannt hat: Das Klimaschutzziel 2020 wird nicht mehr fristgerecht zu erreichen sein. Diese Entwicklung ist besonders kritisch mit Blick auf die ehrgeizigen Ziele des Klimaschutzplans 2050 zu sehen, die noch in diesem Jahr in einem Klimaschutzgesetz festgeschrieben werden sollen. Eine sektorspezifische Festlegung der Ziele, wie sie im Entwurf des Klimaschutzgesetzes des Bundesumweltministeriums (BMU) vorgesehen ist, erfordert einen klaren Reduktionspfad basierend auf einem realistischen und abgestimmten Maßnahmenportfolio.
Damit die Vorgaben aus dem Entwurf des Klimaschutzgesetzes auch im Wärmesektor erfüllt werden können, ist das Bundesbauministerium (BMI) als Teil des Klimakabinetts angehalten, konkrete Maßnahmen zur Emissionsreduktion einzureichen.
Einen wichtigen Baustein zur Erreichung der Klimaziele im Wärmesektor kann zudem das Gebäudeenergiegesetz (GEG) darstellen. Ein neuerlicher Entwurf des GEG wurde im Mai 2019 von Bundeswirtschafts- (BMWi) und Bundesbauministerium (BMI) vorgelegt. Mit dem Gesetz soll die lange geforderte und im Koalitionsvertrag vereinbarte Zusammenlegung von Energieeinspargesetz (EnEG) und Energieeinsparverordnung (EnEV) mit dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) gelingen.
Keine Energiewende ohne sozialverträgliche Wärmewende
Der Wärmesektor ist in Deutschland für ca. 35 Prozent des Endenergieverbrauchs und ca. 30 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Zwar konnten die wärmerelevanten Treibhausgasemissionen seit 1990 um etwa ein Drittel gesenkt werden, doch trotz vielfältiger Anreiz- bzw. Förderprogramme stagniert die jährliche Sanierungsquote im Bestand bei ca. einem Prozent. Das Erreichen der avisierten zwei Prozent scheint in der momentanen Situation in weite Ferne gerückt.
Die Wärmewende kann jedoch nur erfolgreich sein, wenn sie sozialverträglich ist und auch die Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum sicherstellt. Deshalb ist es bei der Festlegung von Maßnahmen wichtig, den Akteuren einen geeigneten Handlungsspielraum zu gewähren, um ein ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis zu gewährleisten. Zentrale Leitgröße bei der Maßnahmenwahl im Wärmesektor sollten daher neben der Energieeffizienz die CO2-Vermeidungskosten sein. Damit wird sichergestellt, dass solche Instrumente genutzt werden, mit deren Kosten die größtmöglichen Einsparpotenziale realisiert werden können. Nur so kann eine Wärmewende garantiert werden, die von Hauseigentümern und Mietern getragen wird. Eine Wärmewende, die nicht bezahlbar ist, wird ihre Akzeptanz in der Bevölkerung verlieren.
Die Bedeutung von Gas für den Wärmemarkt
Mit Gastechnologien bereits heute kostengünstig CO2 einsparen
Der Energieträger Gas ermöglicht die sozialverträgliche und schon heute umsetzbare Wärmewende. Denn: Gas zeichnet sich durch verhältnismäßig günstige CO2-Vermeidungskosten aus und hebt enorme CO2-Einsparpotenziale in den verschiedenen Gebäudetypen. So spart der Austausch eines alten Kessels durch einen neuen Gasbrennwertkessel bis zu 40 Prozent CO2 ein. Auch bei Fern- und Nahwärmekonzepten spielt Gas eine entscheidende Rolle, da hocheffiziente gasbasierte KWK-Anlagen eine ressourcenschonende und CO2-arme Wärmeerzeugung gewährleisten können. Auch kann eine solche Quartiersversorgung gemeinsam mit lokaler Fotovoltaik und Speichern einen wichtigen Beitrag zur Flexibilisierung der Energieversorgung und zur Entlastung der Stromverteilernetze leisten. Durch eine Umstellung der Wärmeversorgung von kohlebasierter Fernwärme auf gasbasierte KWK können die CO2-Emissionen etwa halbiert werden. Mit der Brennstoffzelle steht eine weitere hocheffiziente Technologie zur Verfügung, deren Markthochlauf gerade erfolgreich von der Bundesregierung unterstützt wird.
Gas wird grün – auch im Wärmemarkt
Der Energieträger Gas ist zudem hochgradig energiewendefähig. Genau wie Strom kann Gas künftig schrittweise durch einen steigenden Anteil erneuerbarer und dekarbonisierter Gase zu einer tragenden Säule der Energiewende im Wärmemarkt werden. Dies kann dabei sowohl durch Biomethan, das sich bereits am Markt etabliert hat, als auch durch Energieträger, die sich noch bewähren müssen, gewährleistet werden. Dazu zählen erneuerbarer Wasserstoff und synthetisches Methan, die mithilfe der Power-to-Gas-Technologie hergestellt werden, sowie dekarbonisierter Wasserstoff, der durch Abscheidung von CO2 aus Erdgas gewonnen wird.
Einer dadurch möglichen CO2-Reduzierung im Wärmemarkt sollten Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz sinnvoll gegenübergestellt werden. Auch in diesem Kontext ist es wichtig, die Maßgabe der Sozialverträglichkeit und der gesellschaftlichen Akzeptanz zu berücksichtigen und die CO2-Vermeidungskosten von Energieeinsparmaßnahmen und dem Einsatz erneuerbarer Energien in den Vordergrund zu stellen. Der Energieträger Gas bietet dabei auch den Vorteil, dass es keines Austauschs bzw. vergleichsweise nur geringer Anpassungen der Endgeräte bedarf, um schnell und kosteneffizient CO2 einzusparen.
Was es nun braucht – Koalitionsvertrag umsetzen und das GEG zukunftsgerecht aufstellen
Um eine Wärmewende zu ermöglichen, die das gesamte energiepolitische Zieldreieck berücksichtigt, ist es in erster Linie von Bedeutung, dass alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen technologieoffen berücksichtigt werden. Dies haben Union und SPD im Koalitionsvertrag erkannt. So soll jeder eingesetzte öffentliche Euro dazu beitragen, möglichst viel CO2 und Energie einzusparen.
Für den Erfolg der Wärmewende ist es zudem elementar, die Sanierungsrate anzuheben. Dafür ist die im Koalitionsvertrag an zwei Stellen formulierte steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung ein wichtiger Schritt und sollte bald umgesetzt werden. Es ist unverständlich, dass im aktuellen Entwurf des Bundeshaushalts für 2020 hierfür keine Finanzmittel vorgesehen sind. Durch die fehlende steuerliche Förderung wird ein zentraler Hebel für die Steigerung der Sanierungsrate ungenutzt gelassen.
Damit das für 2030 angestrebte CO2-Minderungsziel auch im Wärmesektor erreicht werden kann, sollten zudem Maßnahmen zur Erhöhung des Anteils erneuerbarer und dekarbonisierter Gase angedacht werden. Hier gilt es zwischen mehreren Optionen abzuwägen, beispielsweise der Festlegung eines möglichst europaweiten und zeitlich befristeten – gegebenenfalls freiwilligen – Ausbauziels oder einer Quote für erneuerbares und dekarbonisiertes Gas, die auch mit einem handelbaren Herkunftsnachweissystem erzielt werden kann.
Zielgerichtete Umsetzung des GEG
Wir begrüßen die Vorlage des GEG durch die Bundesregierung. Es ist für das Gelingen der Wärmewende dringend notwendig, ehrgeizige Maßnahmen zur CO2- und Energieeinsparung gesetzlich zu installieren. Gleichzeitig lässt der Referentenentwurf eben ein solch nötiges hohes Ambitionsniveau zum Teil vermissen, was den zukünftigen Einsatz von erneuerbaren und dekarbonisierten Gasen im Wärmemarkt erschwert.
So wird im Referentenentwurf des GEG nicht die Gesamtheit aller erneuerbaren und dekarbonisierten Gase betrachtet. Erneuerbarer und dekarbonisierter Wasserstoff sowie synthetisches Methan finden keine Berücksichtigung und werden in der Folge weiterhin wie fossiles Erdgas behandelt. Es ist aus unserer Sicht daher unabdingbar, die relevanten Regelungen des GEG auf die Gesamtheit aller erneuerbaren und dekarbonisierten Gase auszuweiten. Für die im GEG adressierten erneuerbaren Gase Biogas und Biomethan finden sich zwar marginale Anpassungen, diese reichen aber nicht aus, um entsprechend ihrem positiven Beitrag für eine klimaschutzkonforme Energiewende so einen vermehrten Einsatz dieser Energieträger im Wärmesektor anzureizen.
- Wir fordern daher für den Bereich Energieeffizienz (aus EnEV) eine sinnvolle Anpassung der Primärenergiefaktoren (PEF). Trotz einer geringfügigen Besserstellung von Biomethan bleiben die PEF von Biomethan und Biogas von den möglichen CO2-Einspareffekten der Energieträger entkoppelt. Wir plädieren daher für die Verankerung eines PEF in Höhe von 0,3 für Biogas und Biomethan. Dies deckt sich mit Ergebnissen einer vom BMWi beauftragten und von dena, Ecofys, Prognos und ifeu durchgeführten Studie aus dem zurückliegenden Jahr, die für Biomethan einen PEF in Höhe von 0,3 vorschlägt.
- Darüber hinaus plädieren wir dafür, die Beschränkung von Biomethan auf die Nutzung in einer KWK-Anlage aufzuheben. Es erscheint volkswirtschaftlich unsinnig, dass Biomethan, das in einem hochmodernen Brennwertkessel eingesetzt wird, mit dem gleichen PEF wie Erdgas und andere fossile Energieträger bewertet wird.
- Zudem sollte die auf die CO2-Bilanz ausgerichtete Innovationsklausel im weiteren Gesetzgebungsprozess zum GEG Berücksichtigung finden. Mit dieser ist es möglich, weitere im Sinne der Wärmewende notwendige Maßnahmen zur CO2-Reduktion zu testen. Denn auch im GEG sollte CO2 neben Energieeinsparung als Leitgröße des Klimawandels berücksichtigt und entsprechend adressiert werden.