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9. Januar 2023

energate-Interview mit Stefanie Jacobi, bayernets
„Nationale Wasserstoffnetzgesellschaft hätte keinen erkennbaren Mehrwert“

München (energate) – Das Bundeswirtschaftsministerium hat mit der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie die Gründung einer Wasserstoffnetzgesellschaft mit staatlicher Beteiligung vorgeschlagen. Widerspruch kam prompt von der bayerischen Staatsregierung. Im Freistaat arbeitet der Fernleitungsnetzbetreiber bayernets bereits an einem Wasserstoffstartnetz. energate sprach mit Stefanie Jacobi, Projektentwicklung Wasserstoff und stellvertretende Leiterin Netzstrategie & Innovation der bayernets GmbH, über das Projekt und den Vorschlag aus Berlin.

energate: Frau Jacobi, mit ihrem Projekt „HyPipe Bavaria“ wollen Sie den Grundstein für ein Wasserstoffnetz in Bayern legen. Wie soll das Netz genau aussehen?

Jacobi: Mit „HyPipe Bavaria – The Hydrogen Hub“ errichtet die bayernets noch in diesem Jahrzehnt ein Wasserstoffstartnetz in Bayern. Beginnen werden wir mit Clustern in den Industriezentren Burghausen und Ingolstadt. Dort bauen wir bis Mitte des Jahrzehnts regionale Wasserstoffnetze zur Verbindung der ansässigen Erzeuger und Verbraucher auf. In einem weiteren Schritt werden wir verschiedene Leitungen zwischen Burghausen, München, Ingolstadt und Ulm auf den Transport von Wasserstoff umstellen. Das so entstehende Wasserstofftransportnetz mit einer Länge von rund 300 Kilometern kann von allen Marktteilnehmern diskriminierungsfrei genutzt werden. Es bildet die Basis für eine weitgreifende Wasserstoffversorgung in Bayern und schafft optimale Voraussetzungen für die Anbindung an die nationale und europäische Wasserstofftransportinfrastruktur.

energate: Wie weit nutzen Sie dabei bereits bestehende Gasleitungen?

Jacobi: Wir planen, für das bayerische Wasserstoffstartnetz größtenteils bestehende Erdgasleitungen zu nutzen. So entstehen 95 Prozent der geplanten Wasserstoffpipelines durch die Umstellung unserer Leitungen von Erdgas auf Wasserstoff. Die Verwendung bestehender Erdgasleitungen reduziert die Kosten erheblich und beschleunigt den Wasserstoffnetzaufbau. Außerdem können wir durch unsere integrierten Planungsprozesse und Netzmodellierungen den gesicherten Transport von Erdgas auch weiterhin gewährleisten und gleichzeitig ein leistungsstarkes Wasserstofftransportnetz aufbauen.

energate: Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die Vorschläge für eine nationale Wasserstoffnetzgesellschaft?

Jacobi: Die Vorschläge sind für uns nicht nachvollziehbar, da sie den dringend benötigten Aufbau eines Wasserstoffnetzes ohne erkennbaren Mehrwert massiv ausbremsen würden. Wie viele andere Gasnetzbetreiber auch arbeiten wir in verschiedenen Projekten gemeinsam mit unseren Partnern am Aufbau einer Wasserstofftransportinfrastruktur. In zwei bis drei Jahren werden wir die ersten Leitungen auf den Transport von Wasserstoff umstellen. Und wenn der Wasserstoffhochlauf wie von uns allen gewünscht gelingt, wird es weiter Schlag auf Schlag gehen. Dass eine nationale Wasserstoffnetzgesellschaft hier schneller und effizienter wäre, ist bestenfalls Wunschdenken.

energate: Warum ist das so?

Jacobi: Zum einen würden weitere Schnittstellen geschaffen. Der Aufbau der dringend benötigten Wasserstofftransportinfrastruktur gelingt umso schneller und kostengünstiger, je mehr bestehende Erdgasleitungen umgenutzt werden. Da die Versorgungssicherheit mit Erdgas aber weiterhin gewährleistet werden muss, müsste sich eine nationale Wasserstoffnetzgesellschaft sehr eng mit den Gasnetzbetreibern abstimmen. Die dafür erforderlichen Prozesse müssten aber erst etabliert werden. Demgegenüber arbeiten die Gasnetzbetreiber bereits seit Jahren im Sinne eines gesicherten Erdgastransports sehr erfolgreich zusammen und können die an vielen Stellen erforderlichen kreativen Lösungen für den Wasserstofftransport entwickeln.
Zum anderen beherrschen die Gasnetzbetreiber seit vielen Jahrzehnten Planung, Bau und Betrieb von Pipelines für den Transport gasförmiger Energieträger. Eine nationale Wasserstoffnetzgesellschaft würde demgegenüber bei null anfangen und müsste mit den Gasnetzbetreibern um das ohnehin knappe Fachpersonal konkurrieren.
Des Weiteren besteht zwischen den Gasnetzbetreibern und den an ihren Netzen angeschlossenen Kunden eine oftmals jahrzehntelange vertrauensvolle Zusammenarbeit. Eine solche ist Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff. Wie eine neu gegründete Wasserstoffnetzgesellschaft ohne Kenntnis der Anlagen und Prozesse eine solche Umstellung bewerkstelligen soll, ist vollkommen unklar.

energate: Der Bund argumentiert, eine staatliche Beteiligung könne die Finanzierung der notwendigen Investitionen zu günstigen Bedingungen sicherstellen.

Jacobi: Es steht ausreichend Eigen- und Fremdkapital zur Verfügung, sobald das Amortisationsrisiko für den unwahrscheinlichen Fall gelöst ist, dass der Wasserstoffhochlauf nicht wie erwartet gelingt. Hierfür hat die Deutsche Energieagentur (Dena) einen vernünftigen Vorschlag auf den Tisch gelegt. Danach muss der Staat kein Geld in die Hand nehmen, sondern agiert „nur“ als Versicherung. Das Risiko, dass der Versicherungsfall eintritt, kann er durch die richtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen maßgeblich beeinflussen. In diesem Zusammenhang ist noch wichtig, dass das Dena-Modell ein reguliertes System unterstellt, sodass nicht Verluste sozialisiert und Gewinne privatisiert werden.

energate: Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger steht bei der nationalen Netzgesellschaft quer zum Bund. Nachdem „HyPipe Bavaria“ nicht in den Reigen der geförderten IPCEI-Projekte aufgenommen wurde, will die bayerische Regierung jetzt auch bei der Finanzierung einspringen. Wie geht es weiter mit dem Projekt?

Jacobi: Wir begrüßen die Initiative der bayerischen Staatsregierung, für eine Anschubfinanzierung zu sorgen und damit eine eigene Lösung für das Amortisationsrisiko anzubieten. Details hierzu sind uns jedoch noch nicht bekannt. Unabhängig davon treiben wir das Projekt „HyPipe Bavaria – The Hydrogen Hub“ gemeinsam mit unseren Partnern weiter intensiv voran.

Quelle: energate messenger (04.01.2023)

 

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